Meldungen aus dem Bezirksverband Niederbayern
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Bedeutender Zwischenschritt auf dem Weg zum "Lernort"

90 Schülerinnen und Schüler des Wilhelm-Diess-Gymnasiums besuchen Kriegsgräberstätte Hofkirchen

Schüler des Gymnasiums Pocking bei Pflegearbeiten und Biographienrecherche auf der Kriegsgräberstätte Hofkirchen. Maximilian Fügen / Volksbund


Im Donautal, sieben Kilometer von Vilshofen/Niederbayern entfernt, liegt donauabwärts, am Rande des Bayerischen Waldes, der Markt Hofkirchen (Donau). Am westlichen Ortsrand, auf einer Anhöhe mit Blick auf eine Biegung der Donau, liegt die Kriegsgräberstätte Hofkirchen. Dort ruhen 2773 Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Die vor 65 Jahren eingeweihte Kriegsgräberstätte diente in den 50er Jahren als Sammelfriedhof für die unzähligen Feldgräber und Kleinstgrabanlagen von Kriegstoten in Niederbayern und in Teilen der Oberpfalz.

Die Süddeutsche Zeitung hatte in 2022 und 2023 in mehreren Artikeln thematisiert, dass in Hofkirchen unter anderem auch mehrere hundert Angehörige der unterschiedlichen Gliederungen der SS ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Unter ihnen auch solche, die an schwersten Verbrechen beteiligt waren. Dass dies für nahezu alle größeren Kriegsgräberstätten gilt, ist kein Geheimnis, keine Neuigkeit und eignet sich daher kaum als Skandal. Der Volksbund hat diesen Umstand bereits in zahlreichen Publikationen aufgearbeitet. In den Jahren 2021 bis 2023 setzte sich der Volksbund durch die Schaffung eines multimedialen Bildungspaketes mit dem Titel „Helden, Täter, Opfer“ zum wiederholten Male aktiv mit dem Umstand auseinander, dass sich unter den Kriegstoten auf Kriegsgräberstätten auch solche befinden, die zu Lebzeiten Schuld, in unterschiedlichster Schwere und Form, auf sich geladen haben und an Kriegsverbrechen beteiligt waren.

Weitere Informationen zu diesem Bildungspaket finden Interessierte hier:
https://www.volksbund.de/aktuell/mediathek/detail/bildungspaket-helden-taeter-opfer-biografien-der-weltkriege

Auf zahlreichen Kriegsgräberstätten im In- und Ausland hat der Volksbund bereits Geschichts- und Erinnerungstafeln errichtet, auf denen ebenfalls ein kritischer Umgang mit den Biographien der Kriegstoten am „Lernort Kriegsgräberstätte“ erfolgt. Dabei sind die Ressourcen des Volksbunds, als gemeinnütziger und größtenteils spendenfinanzierte Organisation mit lediglich einem Bildungsreferenten pro Landesverband, zur Errichtung solcher Tafeln nachvollziehbarer Weise begrenzt.

In Hofkirchen war dies bisher noch nicht geschehen. Das Landratsamt Passau und weitere lokale Institutionen nahmen die Forderung nach einem kritischeren Umgang mit der Kriegsgräberstätte, insbesondere am Volkstrauertag, auf.

Der Pockinger Gymnasiallehrer und Historiker Andreas Königer stellte sich als Projektverantwortlicher dieser Aufgabe. Gemeinsam mit 90 Schülerinnen und Schülern seiner 9. Klassen des Wilhelm-Diess-Gymnasiums Pocking will er die Geschichte der Kriegsgräberstätte und ihrer Toten aufarbeiten und die Kriegsgräberstätte zu einem Lernort ertüchtigen. Unterstützt wird er dabei durch den Kreisvorsitzenden des Sozialverbands VdK, Willi Wagenpfeil, und den Bildungsreferenten des Volksbunds, Maximilian Fügen.

Startschuss für das Projekt war bereits im Herbst 2023. Seitdem haben die Schüler sich intensiv mit der Geschichte der Kriegsgräberstätte auseinandergesetzt. Über den Volksbund wurden Kontakte zu Angehörigen von Kriegstoten hergestellt, die für das Projekt Material zur Verfügung stellten. Zudem wurde eine intensive Archiv- und Literaturrecherche betrieben.

 

Gefallen wenige Tage vor Kriegsende

Nach und nach formten sich für die Schüler Lebensgeschichten und Schicksale hinter den Grabsteinen. Sie erkannten die ungeheure Heterogenität der Kriegstoten. Sie recherchierten die Geschichten von Opfern und Tätern gleichermaßen und von solchen, die beides waren. Zudem lernten sie im Rahmen des Geschichtsunterrichts persönliche Kriegsschicksale und regionale Kriegsgeschichte in die großen historischen Zusammenhänge einzuordnen. Dabei war Aktualitätsbezug dieser Auseinandersetzung in Zeiten, in denen in der Ukraine und im Nahen Osten Krieg herrscht, stets für die Schüler präsent.

 

Besuch und Arbeit auf der Kriegsgräberstätte

Ein bedeutender Zwischenschritt im Rahmen des Projektes war der Besuch der Kriegsgräberstätte Hofkirchen, der am vergangenen Montag, 3. Juli, stattfand.

90 Schüler der 9. Klassen des Wilhelm-Diess-Gymnasiums Pocking unter der Leitung ihres Lehrers, Andreas Königer, fanden sich auf der Kriegsgräberstätte Hofkirchen ein.
Am Vormittag setzten sie sich im Rahmen eines Stationenlernens mit der Geschichte der Kriegsgräberstätte, der des Volksbundes und des Sozialverbandes VdK sowie mit zahlreichen Einzelschicksalen auseinander.

Beim Gang über die Kriegsgräberstätte sahen sie, dass viele der dort Ruhenden kaum älter waren als sie selbst und noch in den letzten Kriegstagen als „letztes Aufgebot“ in einem längst verlorenen Krieg geopfert wurden.

Mittags wurden die Schüler von einer lokalen Metzgerei mit Wurst- und Käsesemmeln versorgt, wofür dem Landratsamt für die Finanzierung und Herrn Willi Wagenpfeil, vom Sozialverband VdK, für die Organisation besonders zu danken ist.

Am Nachmittag wurde dann aktiv Hand angelegt. Mit Gartenscheren, Schwämmen und Eimern rückten die Schüler den pflanzlichen Umrandungen und dem Dreck auf einzelnen Grabsteinen zu Leibe. Die Schüler waren hier wie bereits beim inhaltlichen Teil mit großem Eifer dabei. Auch das als unsicher angekündigte Wetter trug seinen Teil dazu bei, denn es blieb wider Erwarten trocken. Angeleitet und unterstützt wurde die Gruppe durch den für die Pflege der Anlage verantwortlichen Landschaftsarchitekten Andreas Wildner.

Dass die Arbeit der Schüler eine hohe Wertschätzung erfährt, zeigte sich an dem Personenkreis, der das Projekt im Laufe des Tages besuchte. Hierzu gehörten für das Landratsamt Passau der Landrat Raimund Kneidinger, der Leiter der Pressestelle Werner Windpassinger, die Kreisfachberaterin für Gartenkultur und Landespflege Gundula Hammerl und die Leiterin des Bauamts Claudia Ruderer. Auch der Altpfarrer Gotthard Weiß stattete seiner ehemaligen Wirkungsstätte einen Besuch ab und trat in Dialog mit den Schülern. Um 16 Uhr rollten dann zwei große Busse an, um die Schüler nach dem intensiven und arbeitsreichen Tag zurück nach Pocking zu fahren.

Ausblick auf den weiteren Projektverlauf

In den Folgetagen ging die inhaltliche Bearbeitung des Projekts in der Schule u.a. mit der Auswertung der Gräberlisten und der weiteren Auseinandersetzung mit Einzelschicksalen weiter.

Für September ist eine Ausstellung mit Vernissage in Wilhelm-Diess-Gymnasium angedacht, bei der die Ergebnisse der Schüler präsentiert werden sollen. Finales Ziel des Projekts, das bis zum Volkstrauertag im November abgeschlossen sein soll, ist die Errichtung von Geschichts- und Erinnerungstafeln auf der Kriegsgräberstätte Hofkirchen, auf denen die Ergebnisse des Projekts festgehalten werden.

Solche Geschichts- und Erinnerungstafeln wurden durch den Volksbund in Bayern (meist im Rahmen von Schulprojekten) bereits auf den Kriegsgräberstätten Fürstenfeldbruck, Ingolstadt, Hammelburg und Schönau am Königssee erstellt. Für die Kriegsgräberstätten Bayreuth und Würzburg befinden sich ähnliche Projekte in der finalen Phase.  

Ziel des Volksbundes ist es, Kriegsgräberstätten auf diese Weise nicht nur zu Mahnmalen für den Frieden, sondern auch zu Lernorten der Geschichte zu ertüchtigen.

Maximilian Fügen Schul- und Bildungsreferent